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Die Moskauer Waldorfschule
Die Waldorfschule Moskau ist die größte Waldorfschule in Russland. Ihren guten Ruf erwarb sie sich vor allem durch das fruchtbare und erfolgreiche Wirken ihres langjährigen, Ende 2006 leider allzu früh verstorbenen Leiters Anatolij Pinskij. Sein Nachfolger Michael Slutsch wirft einen Blick zurück und schildert, wie die Schule sich den Herausforderungen der Gegenwart stellt.

Die Moskauer Waldorfschule (Schule Nr. 1060) befindet sich im Zentrum der Stadt in einem vierstöckigen Gebäude, umgeben von einem kleinen, aber netten Grundstück. Zurzeit zählt die Schule 14 Klassen, in denen knapp 400 Schüler unterrichtet werden. Im September 2012 wurde der Waldorfkindergarten № 859 vereinigt (den ca. 100 Kinder besuchen) zum Teil unserer Schulorganisation. Wegen der großen Anzahl von Anmeldungen wurde in diesem Schuljahr bereits zum vierten Mal zwei erste Klassen gebildet, obwohl die Größe des Schulgebäudes den Betrieb von Parallelklassen eigentlich nicht zulässt.

2000 beendete der erste Jahrgang die 11. Klasse – und bis heute haben vierzehn 11. Klassen die Abschlussprüfungen abgelegt. 

Nach Beendigung der Schule entscheiden sich die meisten Schüler für ein Studium an einer der zahlreichen Hochschulen Moskaus. Eine große Anzahl von Ehemaligen hat ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und arbeitet in den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft (Wirtschaft, Heilpädagogik, Kunst usw.)

Ein Blick auf die Schulgeschichte
Die eigentliche Geschichte der Schule nimmt ihren Anfang 1989, als die pädagogische Vereinigung für Kinder mit dem Namen "Klub Aristotel" ihre Arbeit begann. Schon vor dieser Zeit, als es noch keine geeigneten Räumlichkeiten gab, traf sich eine kleine Gruppe von an der Anthroposophie interessierten Menschen in Wohnungen.
An einem Abend des Jahres 1988, nach einem Vortrag von Herrn Oltmann, dem Leiter des Kieler Lehrerseminars, fand das erste Treffen des Autors dieses Beitrags erstmals mit dem zukünftigen Mitbegründer und Lehrer der Moskauer Waldorfschule, Anatolij Pinski, statt. Etwas später, zu Hause bei Anatolij, während des Besuches von Ernst Michael Kranich und Walter Liebendörfer, entstand die Idee der Gründung des ersten Lehrerseminars für Klassenlehrer in Russland.

Der starke Impuls und die ungeheure Lebenskraft, die von der Waldorfpädagogik ausgingen, führten dazu, dass 25 Menschen – viele von ihnen waren keine Lehrer - sich bereit erklärten, ihre Berufstätigkeit aufzugeben, um sich als Klassenlehrer ausbilden zu lassen. Fünfmal in der Woche besuchten diese Menschen ganztags Vorlesungen und praktischen Unterricht in Eurythmie, Kunst, Musik, und Sprachgestaltung u.a. Einige von ihnen gründeten später die ersten Waldorfschulen in verschiedenen Städten Russlands.

Gleichzeitig mit der Lehrerausbildung begann die pädagogische Arbeit mit den ersten Kindern im Klub "Aristotel". Die Kindergruppen des Klubs wurden später zu den ersten Schulklassen.

Nachdem die ersten Versuche, geeignete Räumlichkeiten für die Schule zu finden, gescheitert waren, fanden wurde endlich das zukünftige Schulgebäude, der heutigen Standort der Moskauer Waldorfschule 1060 - damals beinahe eine Ruine - in Stremyannij Pereulok gefunden. Dank der großzügigen Hilfe, die wieder aus Deutschland kam (hier sind vor allem mit Dankbarkeit der damalige Vorsitzende des Bundes der Freien Waldorfschulen Günter Altehage und die Vorstandsmitglieder der "Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners" Nana Göbel und Bernd Ruf zu nennen), und der tatkräftigen Unterstützung der Behörden konnte das halbzerstörten Gebäudes in kürzester Zeit rekonstruiert werden. Eltern und frischgebackene Waldorflehrer strichen eifrig die Wände, putzten die Fenster, bereiteten die Klassenräume zum Schulbeginn vor. Am 1. September 1992 empfing die Schule ihre ersten Schüler.

Von der Privat- zur Staatsschule
Im Laufe der ersten Jahre arbeitete die Moskauer Waldorfschule als Privatschule, 1996 wurde sie dann zu einer Staatsschule. Dieser Wandel vollzog sich in einer neuen wirtschaftlichen Situation im Land. Es ging damals ums reine Überleben. Die unaufhaltsame Erhöhung der Mietkosten für ein Gebäude im Zentrum der Stadt und die wachsende Nebenkosten waren ohne eine drastische Erhöhung der Elternbeiträge nicht mehr aufzubringen. Die weitere Erhaltung der Unabhängigkeit vom Staat hätte eine derartige Erhöhung der Elternbeiträge bedeutet, dass die Schule zu einer elitären Schule für reiche Familien geworden wäre.
Als staatliche Schule erhalten wir nun seit über 15 Jahren eine vollständige Finanzierung aller Kosten, einschließlich der Kosten für den Unterhalt und die Entstandhaltung des Gebäudes.

Im Laufe der Registrierung der Waldorfschule als staatliche Schule gelang es, vor allem dank des Bemühens des ersten Schuldirektors Anatolij Pinskij, die pädagogische Eigenart der Schule, ihre Traditionen und die Möglichkeit, ungehindert waldorfpädagogische Ansätze zu realisieren, zu bewahren. Wir haben einen eigenen Lehrplan auf der Grundlage der Waldorfpädagogik erarbeitet, der von den russischen Bildungsbehörden geprüft und anerkannt wurde (u.a. auch der Epochenunterricht). Wir konnten auch ziemlich frei den künstlerischen und musikalischen Unterrichtsbereich entwickeln und den Eurythmieunterricht in allen Klassen durchsetzen.

Von Anfang an bemühte sich die Moskauer Waldorfschule um Offenheit und Zusammenarbeit mit anderen Moskauer Bildungseinrichtungen. Wir sind sicher, dass die Waldorfpädagogik in Russland nur so ein Entwicklungspotential hat. Heute ist die Moskauer Waldorfschule in den Bildungskreisen des Landes anerkannt und dank ihrer pädagogischen Eigenart zu einem festen Bestandteil der Moskauer Schullandschaft geworden.


Erfolge und Besonderheiten der Schule
Unsere Schule beteiligt sich auch mit Erfolg an angesehenen Schulwettbewerben. Das innovative Potential einer Waldorfschule ermöglichte, eine erfolgreiche Teilnahme am Wettbewerb "Wir bauen eine Schule der Zukunft" und eine Beteiligung an einem Bildungsprojekt zur Weiterentwicklung des Moskauer Bildungswesens. Zusammen mit anderen Schulen sind wir an der Erarbeitung von qualitativen Bewertungsmethoden der Arbeit von Schulen beschäftigt ("Das Schulportfolio").
Seit einigen Jahren wird unsere Schule im Rahmen der internationalen Testverfahren PISA und TIMMS von einer Gruppe unabhängiger Experten getestet. Die Ergebnisse unserer Schüler sind dabei - vor allem in Mathematik - viel höher als die von Schülern der staatlichen Schulen.

Das Kollegium der Moskauer Schule bemüht sich, die Ausbildung der Schüler an moderne Bedingungen anzupassen, ohne dabei die Prinzipien einer Waldorfschule aufzugeben. Die wesentlichen Aspekte unseres Schulkonzepts sind:

Praxisorientierter Unterricht
Unsere Kinder wachsen in einer riesigen Großstadt auf, wo sie selten mit Handwerk in Berührung kommen. Deshalb ist der praktische Unterricht ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit, vom Handarbeitsunterricht über die praktischen Epochen in der 3. Klasse, von der Arbeit mit Holz und Kupfer bis zu den handwerklichen Jahresabschlüssen der Oberstufenschüler. Der Aufbau des Werkunterrichts ist für uns keine leichte Aufgabe, denn er erfordert großen Einsatz und finanzielle Mittel.

Die musikalische Arbeit
wird nicht nur von den Musiklehrern unserer Schule sondern auch noch von anderen Musikpädagogen getragen. Dieser Unterricht findet am Nachmittag statt und hat viele Aspekte: Teilnahme am Musiktheater der Schule, Klassenorchester, an verschiedenen Ensembles (z.B. am Gusli-Ensemble, am Blöckflöten-Ensemble) und nicht zuletzt am private Musikunterricht, den fast die Hälfte unserer Schüler erhält. In der Oberstufe gibt es gemeinsame Chorstunden und Epochen zur Weltmusikkultur.

Die Theaterarbeit
Die Bühnenarbeit hat sich in unserer Schule zu einer Tradition entwickelt. Jede Klasse zeigt am Ende des Schuljahres ein großes Klassenspiel, meistens zum Jahresthema der Klasse, und ein kleineres Spiel in der Fremdsprache. Hinzu kommen noch die Aufführungen des Musiktheaters. Eine neue positive Erfahrung sind gemeinsame Klassenspiele mit deutschen Schülern, die im Rahmen des Schüleraustausches eingeübt und aufgeführt wurden.

Differenzierung
Ab der 8. Klasse wählen die Schüler nach Interesse ein sogenanntes Projekt (vier Stunden pro Woche und ein Projekt pro Halbjahr), ab der 9. Klasse Leistungskurse in zwei bis drei Fächern, in denen sie vertieften Unterricht (6-9 Stunden pro Woche) erhalten.

Klassenfahrten und Praktika
In der 3. Klasse führen die Schüler erste praktische Kleinprojekte in der Feldarbeit und im Hausbau durch. Ab der 4. Klasse finden Klassenfahrten statt, die oft auch mit praktischem Tun verknüpft sind.
In der Oberstufe machen die Schüler durch die mehrwöchigen Praktika (Landbau-, Feldmess-, Sozial-, Fremdsprachen-Praktikum) lebensnahe Erfahrungen in vielen Bereichen.

Fragen und Probleme
Die Entwicklung der Waldorfpädagogik hat in Russland eine neue Stufe erreicht. Das quantitative Wachstum hat sich verlangsamt; mehrere Waldorfschulen wurden geschlossen. Die finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für nichttraditionelle pädagogische Einrichtungen haben sich enorm erschwert. Im Großen und Ganzen ist die "Ära der Waldorfeuphorie" vorbei.
Und trotzdem bleibt das Interesse an innovativen Prinzipien des Waldorfkonzepts bestehen, was u.a. die erfolgreichen Ergebnisse unserer Schularbeit zeigen. In dieser neuen Situation ist es für die Schule wichtig, ihre inneren Kräfte zu mobilisieren, aber auch Brücken zu positiven und zukunftsträchtigen Ansätzen im Bildungsumfeld zu schlagen.
Hier stehen wir vor einer Reihe schwieriger Fragen.
Weiterhin ungelöst bleibt das Problem der Waldorflehrerausbildung. Seit mehreren Jahren gibt es bei uns im Schulgebäude das Lehrerseminar das "Moskauer Zentrums für Waldorfpädagogik". Ehemalige Studenten des Seminars bilden heute den Kern unseres Lehrerkollegiums. Andererseits haben einige unserer Kollegen keine Ausbildung in der Waldorfpädagogik. Wir geben uns Mühe, Möglichkeiten für ihre Weiterbildung zu finden. Dabei geht es nicht bloß um das Vermitteln von Erfahrung und theoretischem Wissen, sondern vielmehr um die Bildung neuer, u.a. auch künstlerischer Fähigkeiten und ihre Verinnerlichung. Im Vergleich zu anderen Schulen Moskaus sind wir eine ziemlich kleine pädagogische Einrichtung und außerdem mit einem noch niedrigeren Lehrergehalt. Deshalb fällt es uns schwer, gute neue Lehrkräfte zu finden und sie auf Dauer zu halten.

In Russland ist heute reale pädagogische Erfahrung gefragt. Im Land gibt es viele interessante Schulen mit eigenen pädagogischen Konzepten, die über ein solches praktisches Wissen verfügen. Unsere Schule zieht einen breiten Kreis von Eltern an, die ihre Kinder in Freiheit erziehen, ihnen eine reale Welt zugänglich machen wollen und nicht bloß ein virtuelles Abbild von ihr. Wir verstehen, wie wichtig es ist, mit dem sozialen Umfeld in engem Kontakt zu stehen, um die besten Seiten einer Waldorfschule zeigen zu können. Diese Aufgabenstellung hat uns dazu bewegt, unsere eigene pädagogische Erfahrung Schritt für Schritt zu systematisieren und zu versuchen, unser Wissen an interessierte Lehrer, Eltern und mögliche soziale Partner weiterzugeben.

Abschließend noch etwas ganz Wichtiges:
In den ersten Jahren unserer Schulbiographie geschah alles "zum ersten Mal". Viele Initiativen entstanden spontan und aufgrund persönlicher Kontakte unserer Lehrer, und vor allem unserer deutschen Kollegin Ute Konovalenko. In der heutigen Situation ist die weitere erfolgreiche Entwicklung der Moskauer Waldorfschule ohne langfristige Partnerschaften mit erfahrenen Waldorfschulen kaum zu denken. Gerne bieten wir Schüleraustausch-Programme verschiedener Art, Möglichkeiten für gemeinsame Schülerpraktika (Sozialpraktikum und Fremdsprachpraktikum in Russland, Theater- und Musikprojekte) und auch Hilfe in der Weiterbildung für Russischlehrer an. Unsere Schule ist sehr daran interessiert, auch unter den deutschen Waldorfschulen eine langfristige Partnerschaft zu finden.

Michael Slutsch (übersetzt von Natalija Grigorjeva)


Rückblick und Blick in die Zukunft

Unsere Schule wächst, das heißt, dass
die Zahl der Schüler stark angestiegen ist. Doch das Gebäude, in dem wir unsere Arbeit vor 20 Jahren begonnen haben, hat sich nicht vergrößert. Es ist schön, besitzt weiträumige Flure und hat Atmosphäre. Es wird uns aber immer klarer, dass bei einer jährlichen Aufnahme von je zwei Klassen und dem Aufbau einer qualitativ guten Oberstufe, ein weiteres Gebäude gebraucht wird. Auf dieses Ziel, müssen wir uns zubewegen, egal wie schwer es zu erreichen ist. Nur dann wird es uns gelingen, das besondere Umfeld für die 1.-6. Klassen zu erhalten (für die Klassenstufen, für die wir einen Klassenlehrer vorsehen) und parallel zeitgemäße Räumlichkeiten für die Oberstufenschüler zu schaffen.

Im Winter 2012 schloss sich die Schule mit dem Waldorfkindergarten zusammen, der in Stremyanniy Pereulok nur 500 Meter weiter gelegen ist. Somit hat sich die Schule um eine große vorschulische Einrichtung (nahezu 100 Kinder) vergrößert. Wir werden versuchen, die pädagogischen Kräfte der Schule und des Kindergartens zu vereinen, um jene, an der Nahtstelle der Jahrsiebte entstehenden Probleme zu meistern und gleichzeitig die Besonderheit der vorschulischen Welt zu bewahren.

Ein kleiner Nachtrag zur Geschichte der Schule

In den Jahren ihrer Tätigkeit hat die Schule große Anerkennung und Achtung nicht nur im Bereich der innovativen pädagogischen Systeme, sondern auch in dem ziemlich konkurrenzfähigen und harten Umfeld des Moskauer und des russischen Bildungslebens, gewonnen. In den letzten Jahren geriet die Moskauer Waldorfschule 1060 zweimal in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. 2008 gewann der Musiklehrer Michail Starodubzev den Wettbewerb „Russlands Lehrer des Jahres“. Und nur zwei Jahre später, 2010, das in Russland zum Lehrerjahr erklärt wurde, eroberte der Mathematiklehrer und gleichzeitig Direktor der Schule, Michail Slutsch, den Sieg im Wettbewerb „Lehrer des Jahres“. Im Zusammenhang mit diesem Ereignis stattete der Präsident der Russischen Föderation W. Putin der Schule im November 2010 einen Besuch ab.

Ein Blick in die Zukunft

Die Qualität der Schule hängt im großen Maße von den dort tätigen Lehrern ab. Deswegen haben wir uns viele Gedanken über den Aufbau einer modernen pädagogischen Ausbildung gemacht. Gebraucht wird eine Lehrerbildungsstätte, die den zukünftigen Pädagogen ermöglicht, anknüpfend an die wichtigsten Prinzipien der Waldorfpädagogik und aufbauend auf den Errungenschaften der modernen pädagogischen Praxis, zu arbeiten. Ein derartiges Seminar „Lebendige Schule“ hat im Dezember 2011 seine Arbeit mit den ersten Studenten begonnen. Viele Teilnehmer unterrichten bereits an russischen Waldorfschulen.




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2014. Проект родительского сообщества. Московская Вальдорфская школа им. А.А. Пинского. 115093, г. Москва, Стремянный пер., д. 33/35